A FOREST


"3 Bäume sind ein Wald.", schallte es noch vor drei Jahren aus A Forest heraus. Mittlerweile hat sich einiges geändert. Der Wald soll wachsen und die Samen fruchten. Dafür haben sie sich eine neue Strategie, inklusive eigener Währung, überlegt. In neuer Besetzung soll diese an den Markt herangeführt werden. Ihrer musikalischen Linie bleiben sie dabei aber treu. Wir warfen den Anker in Fabian Schützes Hafen und gingen mit ihm auf Tauchstation, um mehr über das Projekt zu erfahren. Schiff Ahoi und Weidmanns Heil!

mvw: Schon vor knapp drei Jahren bezeichnete sich jedes einzelne Mitglied von euch als „A Forest“ - warum jetzt der Schritt alle Menschen mit in den Wald zu holen?

fabian schütze: Die ganze Idee ist natürlich relativ kompliziert und hat verschiedene Bereiche aus denen sie stammt. Da wäre zum Einen die subjektive Sicht als Musiker. Um als selbstständiger Künstler von seinem Schaffen leben zu können, muss man extrem viel arbeiten. Wir haben gemerkt, dass man da sehr schnell in einen Teufelskreis reinrutscht. Du machst eine Platte und die einzelnen Stufen wie Studio, Mastering usw. kosten enorm viel Geld. Dann kommt die Promo sowie alles weitere und die gesamte Produktion wird immer teurer. Daraufhin überlegst du dir wie man das fertige Produkt verkaufen kann, gehst auf Tour, gibst Interviews und haust noch einmal Geld für Promo raus. Wenn du Glück hast, machst du am Ende ein kleines Plus, jedoch sind bis dahin mindestens anderthalb Jahre vergangen und du fängst wieder von vorne an. Macht man das gleichzeitig mit mehreren Projekten, dann drehst du dich im Kreis. Aus diesem Kreis wollen wir raus. Ein anderer großer Block, der uns zu dieser Idee gebracht hat, sind veränderte Hörgewohnheiten. Die Verflüssigung von Kultur ist da das Stichwort. Die Nachfrage nach physischen Güter, wie einer gepressten CD, geht immer mehr zurück. Streaming-Portale bestimmen vermehrt die Szenerie. Darauf wollen wir aktiv reagieren und nicht immer nur gucken, welche soziale Plattform das nächste hippe Ding ist.

mvw: Wie sieht der Aktionismus aus?

fabian schütze: Naja, aktiv die Chance, die man überhaupt erstmal als Möglichkeit betrachten muss, nutzen. Zu sehen, dass es Sachen wie iTunes gibt und wie sie genutzt werden. Auch Sachen wie Crowdfunding, all diese Phänomene der letzten sechs bis sieben Jahre, die irgendwas mit Musik und Kultur zu tun haben, zu erkennen und das beste daraus zu machen.

mvw: Im Detail?

fabian schütze: Erst einmal versuchen wir den Fluss den wir auch als Musiker haben auf einer eigenen Plattform darzustellen. Die Zuspitzung wäre es zu sagen, dass wir keine Alben mehr produzieren, sondern einfach nur Lieder, die wir auch gleich veröffentlichen und nicht warten, weil das dann schlauer wäre für die Promo. Raus, die Leute zu einer Diskussion anregen, sie auffordern mitzumachen oder ihnen einfach die Möglichkeit geben, aktiv teilzunehmen. Gleichzeitig wollen wir ihnen immer einen alternativen Weg anbieten, wie sie die Sache unterstützen können, insofern sie sie für gut heißen.

mvw: Dufte, aber wie stellt ihr euch das in der Praxis vor?

fabian schütze: Am Ende geht es ja immer ums Geld und unser erster Denkansatz ist der, dass es eben um mehr als nur darum geht. Auf den ganzen Social Media-Plattformen, zum Beispiel, geht es auch darum eine Geschichte zu erzählen, die dann weitererzählt wird. Wir sehen ein Like auf Facebook oder ein Play auf Youtube als eine Art Währung an. Wir wollen das visualisieren und haben deswegen eine solche eingeführt. Ein „Seed“, ein „Leave“ und ein „Tree“ dienen zur Abbildung, um zu sehen wie viele Leute etwas kommentiert, sich in den Newsletter eingetragen oder sich etwas angeschaut haben. Sie sind damit gleichzeitig Teil des Ganzen, ohne auch nur einen Pfennig dafür bezahlt zu haben. Das hilft uns weiter, denn am Ende ist der Samen, der mit einem Play gestreut wurde, ein Gast auf unserem Konzert, der noch jemanden mitbringt, der eine CD kauft und diese dann seinen Freunden zeigt. Deswegen ist die Visualisierung, die wir in Form einer Grafik auf unsere Webseite wöchentlich updaten werden, wichtig. Sie soll zeigen wie die Leute Teil des Waldes werden und dieser im besten Fall wächst. Obendrein kann man vorab schon eine Vinyl bestellen und kauft damit nicht die Katze im Sack, da man ständig Einblicke in unsere Arbeiten gewährt bekommt. Diese Platte ist dann kein Album im ursprünglichen Sinne, vielmehr eine kleine Werksschau. Wir wissen um den Werkstolz, da einen schönes gebundenes Buch oder eben die aufwändig gepresste Vinyl, einen haptischen Wert besitzen, etwas Emotionales sind und das ist uns wichtig. Deswegen pressen wir Platten. Wir lieben sie, nur der Weg zum Endprodukt wird ein anderer sein.

mvw: So gesehen öffnet ihr euch den Leuten, um das System zu öffnen?

fabian schütze: Ja, die ganze Sache ist natürlich der Zeit ein wenig voraus, aber wir sind überzeugt, dass es in eine Richtung geht, in der live zu spielen und die Geschichte dahinter immer wichtiger werden. Es läuft einfach nicht mehr, wie in den letzten 30 Jahren im Major- und Indielabel-Bereich üblich, dass dein Label dir die Masterbandrechte abkauft, 5000 CDs presst und sich dann überlegt wird, wie man die Scheiße verkauft. Die Frage möchte ich mir auch nicht stellen. Ich will Musik machen, ich will Konzerte spielen und ich will dass die Leute auch mitbekommen, dass ich gerade ein halbes Jahr an neuer Musik arbeite und sie nicht denken, ich wäre vom Erdboden verschluckt.

mvw: Gleichzeitig wollt ihr dadurch merken, dass auch die Leute noch da sind, oder?

fabian schütze: Absolut. Das klingt zwar ziemlich pathetisch, was auch die erste Kritik auf Facebook war, aber am Ende geht es darum zu zeigen, dass wir alle im gleichen Boot sitzen. Wir alle haben doch Lust auf coole Konzerte und coole Mucke, also lasst uns doch einfach den Weg zusammengehen.

mvw: Wie und wann entstand die Idee?

fabian schütze: Es darbt schon länger. Obendrein haben wir Ende des letzten Jahres alle unabhängig voneinander verschiedene Bücher zu dem Thema gelesen, wobei vor allem das Buch „Eine neue Version ist verfügbar“ von Dirk von Gehlen uns einen wichtigen Anstoß gegeben hat. Darin geht es genau um diese Verflüssigung der Kultur, was jetzt für uns nicht maßgebend war, aber sagen wir, das Fass zum Überlaufen gebracht hat.

mvw: Im Zuge der Umstrukturierung, so schreibt ihr auf eurer Webseite, musstet ihr euch auch von lieb gewonnenen Ideen verabschieden — bei konkret welcher Verabschiedung sind denn die meisten Tränen geflossen?

fabian schütze: Damit ist zum Teil das Schreiben für ein konkretes Album gemeint. Dabei kommt man immer an einen Punkt, wenn man denkt: ‘Yes, das ist es‘ — der Traum, dass mit dem nächsten Album die Sachen besser laufen. Das entfällt jetzt und hinterlässt eine Leerstelle. Ab jetzt müssen wir uns darauf verlassen das ein organisches Wachstum einsetzt, was möglichst zügig ein gewisses Level erreicht. Wir verabschieden uns von der Idee des Albums, vom Schreiben bis zur Gestaltung des Artworks. Das sind Sachen die uns bisher viel Spaß gemacht haben, jetzt aber weit in den Hintergrund rücken. Momentan ist es mir zum Beispiel völlig egal wie die neue Platte aussehen soll. Es geht ausschließlich um die Musik, den nächsten Song und die dazugehörige Live-Version. Obendrein verabschieden wir uns davon, zu sagen, dass das Lied fertig sei, weil es das nie sein wird, da jeder damit arbeiten kann. Es entstehen Remix-Versionen, wir spielen es auf der Bühne jedes Mal ein wenig anders und es wird am Ende nicht mehr auf so einer doofen CD erscheinen (lacht).

mvw: Hat sich denn der Begriff „A Forest“, bzw. das Bild, was ihr von einem Wald habt, im Zuge der Umstrukturierung für euch auch verändert?

fabian schütze: Ja und wie du schon selbst erwähnt hast, hieß es noch vor drei Jahren in unserem Pressetext: „Drei Bäume sind ein Wald.“, was ja eine relativ subjektive und egoistische Sicht ist, zu behaupten drei Bäume seien ausreichend, um das komplette Erlebnis eines Waldes herzustellen. Jetzt heißt es, dass der Wald wachsen muss, um überhaupt leben zu können. So gesehen hat sich das Bild schon verändert. Wir bauen jetzt nicht mehr den Wald bei uns auf der Bühne auf, sondern versuchen vielmehr das die Leute mit uns drin stehen. Es soll eine Vermischung von Bühne und Publikum, Musiker und Hörer stattfinden. Es soll mehr eins werden.


mvw: Musikalisch, wenn man sich die Songs auf eurer neuen EP „Surfaces“ anhört, bleibt ihr aber dem Minimalprinzip treu oder was schwärmt euch da in Zukunft vor?

fabian schütze: Die drei Songs geben einen relativ guten Einblick in das neue Material. Prototypen sozusagen. Obwohl es auch extreme Ausschläge in jegliche Richtungen geben wird. Es wird zum Einen Passagen geben, die aggressiver, lauter, extrovertierter sind, sowie Sachen die noch kälter, noch karger und noch weniger sind. Genau das hat sich auch mit dem Blick auf den einzelnen Song geändert. Wir schauen jetzt nicht mehr wie sich eine Komposition in die Platte einschmiegt. Auch wenn man kein Konzeptalbum macht, steckt hinter jedem Album doch ein Konzept. Du machst dir Gedanken in welcher Reihenfolge die Lieder angeordnet werden und spätestens nachdem man acht von zehn Songs für die Platte gemacht hat, kommt man an den Punkt darüber nachzudenken, was für ein Lied jetzt noch fehlt und das ist uns jetzt vollkommen egal.

mvw: Inhaltlich besingt ihr euer Vorhaben. Bei den drei Songs kann man einen kleinen roten Faden entdecken, bei dem es immer wieder um Barrikaden und die daraus entstehende Aufbruchsstimmung geht.

fabian schütze: Das haben wir auch danach gemerkt, jedoch war das keine bewusste Entscheidung. Wir haben festgestellt das es inhaltlich einen gewissen Grundton gibt. Arpen bringt in dem Bezug gern das Western-Genre ein. Entweder es ist ein alter Cowboy komplett über den Zenit, der allein unterwegs ist oder es sind Herr-Situationen und fühlt sich so an, als ob man von einer Schlacht zurückkehrt. Es sind alles relativ alte Bilder, die wir uns dabei vorstellen. Ölgemälde aus dem 18. Jahrhundert, alles sehr anachronistisch, was wiederum im Gegensatz zu dieser modernen Idee steht (lacht). Die letzte Winternacht bevor das Jahr wieder von vorn losgeht, wie bei „Surfaces“, ist irgendwie auch das Bild für dieses „immer wieder eine neue Platte machen“.

mvw: Arpen ist neu in der Band, weil ihr ganz pragmatisch einen Ersatz für eure ehemalige Sängerin Franziska brauchtet oder was steckt dahinter? 

fabian schütze: Wir haben uns bzw. Franzi sich von uns getrennt. Alles aber vollkommen cool. Sie hat einfach gemerkt, dass sie andere Sachen machen möchte als Musik und auf der Bühne stehen. Dann waren wir nur noch zu zweit und haben uns überlegt wie es weitergeht. Da wir Arpen menschlich und musikalisch sehr schätzen, er via Analogsoul sehr nah an die Produktionen gerückt ist, ist das letztlich einfach so passiert, dass wir neues Material in dieser Besetzung gemacht haben und sehr schnell rausfanden, dass es ziemlich gut funktioniert.

mvw: Neu ist euer Thema. Ihr wart  2011 auch einer der ersten Crowdfunder auf VisionBakery. Fühlt ihr euch eigentlich wohl in eurer Pionierrolle?

fabian schütze: Logisch ist das eine Rolle, die wir da mit Analogsoul sehr gerne einnehmen. Wir haben sehr früh crowdfunding betrieben. Selbst vor 2011 hatten wir, damals noch auf betterplace.org, welche die erste Plattform im deutschsprachigen Raum war, schon ein Projekt gestartet. Danach kam die „Releasing a record“-Geschichte mit Klinke auf Cinch, wo wir die Rahmenbedingungen und das ganze Business rund um eine Veröffentlichung transparent über mehre Monate online gestellt haben. Und jetzt eben die Geschichte. So gesehen ist das Vorlegen innovativer Ansätze für Musikveröffentlichungen natürlich eine Rolle, die wir uns auf die Fahne schreiben.

mvw: Woher kommt das?

fabian schütze: Das rührt aus einer Außenseiterrolle heraus. Wir sind in einem Markt, in dem gerade in Deutschland monatlich ungefähr zweihundert Veröffentlichungen offiziell erscheinen. Dazu kommen mindestens noch einmal zweihundert, die ohne Barcode und offiziellen Vertrieb rausgehen. Alle bemustern die Presse, alle wollen Konzerte spielen und alle wollen Klickzahlen. Obendrein kommen noch zwanzig Majorlabel-Veröffentlichungen, die wirklich nennenswert fünf- bis sechstellig abverkaufen und sich öffentliche Aufmerksamkeit mit Geld holen können. Dieser Blase sehen wir uns mit Analogsoul gegenüber gestellt. Wir könnten natürlich darauf scheißen, haben aber den Anspruch das wir Musik möglich machen und diejenigen, die die Musik machen auch davon leben können. Dann musst du dir halt etwas überlegen und die aktuelle Herangehensweise ist so gesehen die Kumulation all der Sachen die wir bisher gemacht haben.


mvw: Also wird die die Idee „I AM A FOREST“ auch Einfluss auf die Arbeit eures Labels nehmen?

fabian schütze: Diese Idee kann tatsächlich eine Blaupause für alles sein was wir machen. Jedoch ist die Plattform und das Drumherum eine Beta-Version, ein krasser Test, da wir keine Ahnung haben, ob es funktionieren wird. Wir sehen aber gleichzeitig das Potential und haben die Hoffnung in das Projekt, sonst würden wir ja auch nicht so viel Arbeit reinstecken. Deswegen glaube ich, dass die Idee der letzten dreißig Jahre, in ein paar Jahren keine Rolle mehr spielt und hoffe, dass wir bis dahin schon ein paar Sachen gelernt haben. Auch das Geschäftsmodell Label, was mit anhängt, funktioniert nicht mehr so und genau deswegen ist es vorrangig ein Analogsoul-Projekt, was sehr eng verzahnt mit der Band funktioniert. Mit Arpen, Flo und mir haben wir hier auch eine Besetzung, die näher am Label dran ist, als andere Acts von Analogsoul. So können wir sagen, dass wir vorgehen, die Fehler selber machen und nicht jemand anderes in den Testkäfig stecken müssen.

mvw: Im April geht ihr auf Tour. Was werdet ihr vor Ort unternehmen, die Leute zu motivieren ein Blatt oder ein Baum zu werden?

fabian schütze: Den Punkt darüber nachzudenken, was jetzt konkret anders wird, hatten wir noch nicht. Jedoch steht natürlich fest, dass wir versuchen werden diese Geschichte auch live zu erzählen.

Webseite: iamaforest.com